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Sie wollen also der Ryu beitreten?

Nachfolgender Artikel findet sich im Internet und ist an Interessenten gerichtet, die sich für ein Probetraining interessieren.


Der Text mag auf den ersten Blick etwas "hart" sein, allerdings bringt er die grundlegende Einstellung, die ein ernsthafter Dōjō-chō zu diesem Thema haben sollte, genau auf den Punkt.


Dave Lowry fordert den Leser dazu heraus, seine Motivation, ein Probetraining zu besuchen, zu hinterfragen und vermittelt gleichzeitig die Ernsthaftigkeit, mit der im Budō trainiert wird.


Stefan Filus


Wichtige Begriffe

Ryu: Kampfkunst-Schule / -System mit oft ungebrochener Abstammungslinie.


Koryu: Alte, traditionelle Kampfkunst-Schulen, die alle vor 1867 entstanden sind. Im Gegensatz zu den danach entstanden Kampfkünsten wie Judo, Aikido, Karate oder Kendo (oder auch das Bujinkan Budo Taijutsu). In den meisten Fällen haben sich Zweige dieser Gendai Budo zu Kampfsportarten gewandelt.


Kamidana im Hombu Dojo
Kamidana im Hombu Dojo
Essay von Dave Lowry

Sie haben für mich keine Bedeutung!


Ich bin mir darüber im Klaren, dass das schrecklich barsch klingt. Sogar gemein. Und geringschätzig. Würde es helfen wenn ich hinzufüge, dass mir, in Bezug auf unser gemeinsames Bürgertum, ihre Persönlichkeitsrechte durchaus wichtig sind. Und sie sind mir, als Mitreisender auf unserem Mutter­schiff Erde, durchaus nicht egal. Vom theologischen Standpunkt des Christen ausgesehen ist ihr Seelenheil ebenfalls von Interesse für mich. Aber sie haben mich nicht in bürgerrechtlichen oder religiösen Dingen kontaktiert. Oder gefragt was ich von ihnen als Mitreisender auf unserer planetaren Reise durch das Universum halte. Sie haben mich nach der Möglichkeit der Unterweisung in einem Budo gefragt, einer Koryu. In diesem Zusammenhang sollten wir gleich ehrlich sein. Sie haben keine Bedeutung für mich.


Was von Bedeutung für mich ist – falls sie nicht derart beleidigt wurden, dass sie das lesen eingestellt haben – ist die Ryu innerhalb derer mir eine gewisse Lehrbefugnis anvertraut wurde. Es ist absolut wichtig, dass sie dies verstehen um meine Antwort auf ihre Anfrage richtig erfassen zu können. Wenn es um meine Kampfkünste geht ist mein Hauptanliegen – und alles andere kommt erst weit dahinter – die Kunst selber und ihre erfolgreiche Weitergabe an die nächste Generation. In einem gewissen Rahmen ist es meine Aufgabe mich um sie zu kümmern und sie weiterzugeben. Wenn sie eine Antiquität, ein Erbstück oder ein ähnlich wertvolles Objekt vermacht bekommen hätten, würde ich davon ausgehen, dass sie sehr vorsichtig wären an wen sie es weitergeben. Dasselbe können sie von mir erwarten.


Ja, ich weiß, dass dies aus einer geschäftlichen Perspektive unklug ist. In den meisten modernen Budo wird es anders gehandhabt. Und das sollte es auch. Die meisten moderneren Arten von Kampfkunst­ sind speziell dafür zusammengestellt und gestaltet worden für sehr viele Leute zugänglich zu sein. Das ist sogar eine ihrer Stärken. Koryu sind jedoch anders. Nicht besser. Nur anders. Die absolut vorherrschende Motivation aller in einer Koryu Beteiligten, insbesondere auf der Stufe der Lehrenden, ist die Fortführung der Ryu. Der Hauptfokus liegt nicht auf den Mitgliedern der Ryu. Natürlich entwickeln sich durch das beständige gemeinsame Training starke Bande und enge Freundschaften. Aber die Ryu kommt immer an erster Stelle. Wenn ich ein Mitglied der Ryu in meiner Trainingsgruppe hätte, der sich unangebracht verhält, würde ich alles in meiner Macht stehende tun ihn davon zu überzeugen sein Verhalten zu ändern. Letztendlich jedoch, wenn ich zu dem Schluss komme, dass er schädlich für die Ryu ist, würde ich das Mitglied entfernen. Das wirkt sehr kalt, darüber bin ich mir im Klaren. Diese Herangehensweise hat ihre Wurzeln in einer Reihe von feudalen japanischen Auffassungen, zu tiefgreifend um hier darauf einzugehen. Man mag, ganz legitim, anführen, dass wir uns nicht im feudalen Japan befinden. Das ist ein guter, wenn auch offensichtlicher, Punkt. Das spielt aber keine Rolle. Es ist unsere Ryu. Wir setzen die Regeln durch. Wenn sie daran interessiert sind ein Teil davon zu werden, halten sie sich an diese Regeln. Wir müssen sie nicht vor irgendjemandem verteidigen oder sie erklären, zumindest nicht in dieser frühen Phase. Auf jeden Fall sollte ihnen meine Bereitschaft ein Mitglied über Bord zu werfen, wenn ich es für das Fortbestehen der Ryu vonnöten halte, vor Augen führen wie wenig Wert ich darauf lege, dass gerade sie sich in diesem Boot befinden. Sie können sich also vorstellen zu welcher Vorsicht ich und auch andere neigen wenn es darum geht, wen wir überhaupt in das Boot lassen.


Lassen sie mich versuchen es ihnen aus einer anderen Perspektive deutlich zu machen. Man hört oder liest zum Beispiel sehr oft wie großartig diese oder jene Kampfkunstart für Junge Leute doch wäre. Wie sie Disziplin, Selbstvertrauen, Respekt vor Autoritäten und vieles mehr lehren kann. Das sind wichtige Verkaufsargumente für diese Künste und sie mögen alle der Wahrheit entsprechen. Aber keines davon ist für eine Koryu von Bedeutung. Es kümmert uns nicht, was die Kunst für sie tun kann, oder für junge Leute oder für irgendjemand anderen. Uns kümmert nur was sie für die Kunst tun werden.


Wenn sie daran interessiert sind ins Boot zu kommen, sollten sie ein paar Dinge beachten. Der vielleicht beste Weg an mich, oder jeden anderen Lehrer einer klassischen Kampfkunsttradition, heranzutreten ist folgender: verweise sie darauf, dass sie über Koryu im allgemeinen oder über die Ryu die ich lehre im speziellen gelesen haben, oder dass sie eine Vorführung gesehen haben und nun mehr erfahren möchten. Fragen sie ob es möglich ist vorbeizukommen und dem Training zuzuschauen. Wenn ich ihnen antworte – und das werde ich tun – und ihnen den Ort und die Zeit nenne, antworten sie mir per Email oder Telefon und sagen sie mir Bescheid, ob sie das ein werden. […] Und dann kommen sie auch. Und kommen sei nicht erst eine Woche später, sei es schriftlich oder telefonisch, mit so etwas an wie: „Achja, ich hab verschlafen. Kann ich nächste Woche vorbei­kommen?“. Bei jedem gibt es mal Notfälle oder unvermeidbare Terminänderungen. Aber haben sie den Anstand mir so schnell wie möglich Bescheid zu sagen und sich zu Entschuldigen.

Erzählen sie mir nicht dass sie beitreten wollen. Ich gehe davon aus dass sie mitmachen wollen oder zumindest sehen wollen worum es sich genau handelt. So oder so sind sie immer willkommen vorbeizukommen und zuzuschauen, und das ist dann auch schon der erste Schritt zur Teilnahme. Erzählen sie mir nicht wie sehr sie schon immer eine Koryu ausüben wollten. Oder wie großartig das für sie wäre. Ich bin nicht an ihren Fähigkeiten, ihrem Enthusiasmus oder dem Ausmaß ihres Verlangens interessiert. Und ganz sicher kräht nach ihren Gradierungen in anderen Künsten kein Hahn. Ich suche nach jemandem der der Richtige für die Ryu ist. Jemanden bei dem es wahrscheinlich ist, dass er lange genug bleibt um sie zu erlernen. Jemanden der sie korrekt und in ihrer Ganzheit repräsentieren kann.


Hier ist noch ein Hinweis: wenn sie sich nicht die Zeit nehmen können auf ihre Rechtschreibung zu achten oder die Autokorrekturfunktion zu nutzen wenn sie mir schreiben. Wenn sie zu schludrig sind um einen einfachen Anfragebrief abzufassen. Wenn sie es für angemessen halten, jemanden den sie nicht kennen mit Vornamen anzusprechen. Dann stehen die Chancen gut, dass ihnen die geistige Haltung, dass Auge fürs Detail und der Sinn für Anstand fehlt um in einer Koryu zurecht zu kommen. Das soll nicht heißen, dass sie nicht ein großartiger Mensch sind. Aber vermutlich sind sie für eine Koryu nicht aus dem richtigen Holz geschnitzt.


Nochmal zum Kernpunkt: Meine Hauptaufgabe ist, wie schon gesagt, der Erhalt der Ryu. Die Ryu, ob sie nun den Kampfkünsten, dem Ikebana oder der Teezeremonie gewidmet ist, ist eine Lange Kette von Bindegliedern. Meine Lehrer waren die Bindeglieder vor mir, deren Lehrer die Glieder vor ihnen und so weiter und so fort. Sie haben, durch ihre Anstrengungen über Generationen hinweg, die Bindeglieder meiner Generation geformt. Nun bin ich verantwortlich für das nächste Glied in der Kette. Wenn ich nicht vorsichtig bin, und äußerst umsichtig bei der Formung dieses nächsten Bindegliedes könnte ich dafür verantwortlich sein ein entscheidendes Kettenglied zu schwächen und vielleicht sogar die Linie zu unterbrechen. Deswegen ist es nichts persönliches, das sie keine Bedeutung für mich haben. Es ist einfach so, dass ich Pflichten gegenüber der Koryu habe, die eine vorherrschende Stellung bei meinen Erwägungen haben müssen.

Ich möchte damit nicht andeuten dass der Eintritt in eine Koryu etwas von einer zermürbenden Aufgabe nach dem Motto „nur die Stärksten überleben“ hat. Als ich mit dem Training begann, habe ich habe kein Wort Japanisch gesprochen und wusste nicht welches Ende der Essstäbchen für die Finger gedacht ist. Und ich hätte wahrscheinlich raten müssen welches Ende des Schwertes man halten muss. All diese abgefahrenen Geschichten dass man auf der Veranda des Lehrers warten und im Regen stehen muss sind Großteils reine Übertreibung. Ausdauer ist allerdings manchmal notwendig. Das hat aber nichts damit zu tun, dass man vom Lehrer standardmäßig getestet wird. Vielmehr nimmt er, und damit die Schule, einen noch nicht ernst und wartet erst einmal ab wie viel Engagement man bereit ist zu bringen. Wenn man höflich und geduldig ist und sich einigermaßen Benehmen kann stehen die Chancen gut angenommen zu werden.


Embu einer Koryu im Yasukuni-Schrein in Tokyo
Embu einer Koryu im Yasukuni-Schrein in Tokyo

Die Chancen in einer Ryu aufgenommen zu werden stehen noch wesentlich besser wenn man ein stabiles Familienleben, eine feste Adresse, eine gute Ausbildung (oder zumindest auf dem Weg dahin ist) und einen Beruf hat. Wozu das alles? Koryu fordern einen großen zeitlichen Aufwand. Es ist etwas anders als in einer Bowling- oder Fußballmannschaft. Wenn der Ehepartner oder die Familie einen nicht unterstützt, hat man eine Menge an häuslichen Streitereien vor sich. Natürlich ist es nicht mein Problem wenn sie einen Kampf mit ihrem Lebenspartner oder ihren Eltern austragen mussten. Aber es wird zu meinem Problem, wenn sie an diesem Abend ins Training kommen und, mit dem Kopf nach ganz bei diesem Kampf, waffenschwingend mit mir trainieren. Wenn sie nicht gerade nebenan eingezogen sind, werden sie zum Dojo oder zur Trainingshalle pendeln müssen. Es ist durchaus nicht ungewöhnlich dass Mitglieder einer Koryu ein Stunde oder mehr zu ihrem Dojo fahren (im Falle des Shotokan Dojo haben wir Mitglieder die einmal im Monat 5 Stunden fahren um zu trainieren, und das ist nur der Hinweg). Die Trainingszeiten richten sich nach dem Lehrer und den hochrangigen Mitgliedern. Das heißt, dass sie höchstwahrscheinlich dazu gezwungen sind, ihren Tagesplan umzustellen, um unseren Anforderungen nachkommen zu können. Wenn sie einen Beruf haben, in dem dies nicht möglich ist, ist ein Training ebenfalls unmöglich. Sehr oft werde ich von Studenten kontaktiert die in meiner Stadt leben – zumindest im Moment. Meine Frage an sie ist immer: Wie lange werden sie nach ihrem Abschluss noch hier leben? Ich investiere vier Jahre in ihr Training und dann brechen sie hier alle Zelte ab, um am anderen Ende des Landes zu arbeiten.


Wenn sie ein Student sind, der mich nach Unterrichtung in meiner oder in irgendeiner anderen Koryu fragt, werde ich ihnen für gewöhnlich raten, dass der beste Weg in diese Richtung über eine gute Ausbildung führt. Sorgen sie dafür dass sie einen Beruf erlangen, der es ihnen erlaubt dort zu arbeiten wo die Ryu zu finden ist, hier oder in Japan. Und dann kann man sich dem Studium der Ryu für die nötige Zeit verschreiben um sie wirklich ernsthaft zu erlernen.


Zum Abschluss nochmal zum Mitschreiben: Es ist unsere Ryu. Wir setzen die Regeln durch. Wir kennen diese Regeln und ihre Bewandtnis viel, viel besser als sie. Ich habe nicht sie angeschrieben, ob sie beitreten können. Es ist genau anders herum. Wenn sie das akzeptieren können, können wir fortfahren. Wenn nicht, dann wünsche ich ihnen alles Gute egal was sie auch vorhaben. Ich werde es ihnen sicher nicht übel nehmen, wenn sie sich nicht den Vorschriften einer Koryu anpassen wollen. Sie sind seltsam, alt und oft rau. Aber ich habe mich für die Koryu entschieden und habe ihnen den größten Teil meines Lebens gewidmet. Ich habe nach ihren Regeln gespielt und werde es weiter tun. Wenn sie bereit sind eine vergleichbare Verpflichtung einzugehen, lassen sie uns darüber reden.


Übersetzt aus dem Englischen. Originaltext "So you want to join the ryu" von Dave Lowry.


 
 
Bujinkan München


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